Ein Blick hinter die Kulissen einer EM-Vorbereitung

Hendrik Brühl, Trainer der Mannschaft des MTB Market Team vom RVV Bad Oldesloe, gibt uns einen kurzen Einblick in die Realisierung eines Traums: die Teilnahme für Deutschland an der Europameisterschaft 2011 mit seinem Junior-Team...

Trainer Hendrik Brühl
Trainer Hendrik Brühl

Hendrik, du bist schon seit vielen Jahren aktiv als Trainer im Voltigieren unterwegs. Nun fährt ein Team von dir zum ersten Mal zu einem Championat. Wie lassen sich die Emotionen beschreiben?

Es ist irgendwie alles unwirklich... Der Sieg beim CVI in Krumke war überwältigend, allerdings hat sich die Nominierung dann so lange hingezogen, dass ein wenig der "magische Moment" verloren gegangen ist.
So richtig realisiert haben wir es, glaub ich, erst nach und nach. Dadurch, dass so eine Championatsteilnahme mit viel Arbeit verbunden ist, wird alles schnell zur Normalität...Momentan schwanken wir zwischen "es ist völlig normal, in einer Woche für Deutschland in den Zirkel zu laufen" und "wie unwirklich, in dem Paket sind die
Deutschlandtrikots..". Ein wenig ist halt schon der Alltag zurückgekehrt, aber wir werden immer wieder daran erinnert, wie krass es eigentlich ist, was wir gerade tun...

War die EM bereits die ganze Saison euer Ziel?

Von Ziel kann man da, glaube ich, nicht sprechen. Wir haben natürlich die EM als "optimalen Saisonverlauf" im Auge gehabt und immer daran geglaubt, dass wir in der Lage sind, uns zu qualifizieren. Allerdings hielten wir die Chance, dass es tatsächlich klappt, für sehr gering, da die "Konkurrenz" ja auch sehr stark ist. Aus Schutz vor Enttäuschung haben wir nie das "Ziel EM" definiert, gewünscht hat es sich natürlich jeder und entsprechend hart an sich gearbeitet.

 


Wie können wir uns eure Vorbereitungen vorstellen?


Unsere Vorbereitung läuft unter dem Motto "6 hoch drei": 6 Wochen Trainingslager an 6 Tagen die Woche, mit 6 Stunden Training am Tag. Wobei, wenn wir ehrlich sind, dies nichtmal ausreichend ist. Dadurch, dass unser Pferd Eci in Okel (das ist in der Nähe von Bremen und ca. 2h von unserem eigentlichen Trainingsort entfernt) steht, sind wir die ganzen Sommerferien über immer wieder in kurze Trainingscamps nach Bremen gefahren. Insgesamt waren wir 4x5 Tage und 2x2 Tage in Bremen. Hier haben wir auf dem Hof Becker in Oyten und bei einer Mutter einer Okeler Voltigiererin in einer Art Volti-WG gewohnt. Während der Bremen-Intervalle haben wir natürlich immer intensiv auf Eci trainiert, nebenbei jede Menge Holzpferd und Grundlagentraining sowie Teambuilding und lustige Aktionen gemacht. Zwischen den Bremen-Trainingslagern haben wir auf unserem Nachwuchspferd Alessio und auf dem Holzpferd ordentlich Hausaufgaben gemacht sowie in unserer Turnhalle viel Grundlagentraining. Insgesamt haben wir sehr vielseitig trainiert, neben dem normalen Voltigiertraining standen viel Geräteturnen, Ballett und Tanzen sowie intensives Dehn- und Krafttraining auf dem Programm. Ergänzt haben wir unser Training durch einige kreative und musikalische Einheiten, um den "Spirit" unserer Kür weiter zu erhalten bzw. auszubauen. Einen harten
Trainingstag lassen wir regelmäßig durch Massagen mit Arnika-Ölen sowie
Körnerkissen, "heiße Rolle"  und verschiedenen Entspannungstechniken ausklingen, um die regenerativen Prozesse zu beschleunigen und Kraft zu
tanken. Im ganzen Training werden wir super von unseren Physiotherapeuten Andrea und Lea unterstützt, außerdem immer wieder beratend auch von Sara Peschke, Sportwissenschaftlerin und Mannschaftsweltmeisterin 2002. Nebenbei findet dann auch mentales Training und Videoanalyse statt. Hinzu kommen viele andere Dinge, die eine EM-Vorbereitung so mit sich bringt und die viel Zeit in Anspruch nehmen: Öffentlichkeitsarbeit, Pressetermine, Anzüge "pimpen" und Haarschmuck gestalten, Shoppen, um Mannschafstkleidung oder einheitliche Ausgehkleidung für die Eröffnungsfeier zu kaufen, Planung und Organisation der Reise (schließlich sind wir über eine Woche weg), Lieder für die EM-CD (die
deutsche Mannschaft macht jedes Jahr einen "Championats-Soundtrack, für
den sich jeder Teilnehmer ein Lied wünschen darf) besorgen und  zusammenstellen... Da wir wirklich alles selber machen, sind wir von morgens bis abends mit dem "Projekt EM" beschäftigt, teilweise sogar bis in die Nacht
hinein. Einen kleinen Einblick in unseren Trainingsalltag erhaltet Ihr durch
unser Videotagebuch auf unserer Homepage:
http://mtb-market-team.jimdo.com/unser-weg-zur-em/videotagebuch/


Insgesamt versuchen wir immer, trotz des harten Trainings, soviel Spaß wie möglich im Training zu integrieren und auch außerhalb des Trainings gemeinsam zu haben. Hierbei kommt es immer wieder zu extrem lustigen, durchgeknallten Aktionen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass bei uns, obwohl wir seit 6 Wochen Tag und Nacht zusammen verbringen, noch nicht der Lagerkoller ausgebrochen ist.

Juniorteam Hamburg
Juniorteam Hamburg

Wie würdest du deine Mannschaft charakterisieren?


Die Mannschaft bewegt sich irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn...;-)
Jeder ist in der Lage, weit mehr als 100% für sein Team aus sich herauszuholen. Insgesamt ist die Mannschaft sehr unterschiedlich, jeder Voltigierer bringt extrem unterschiedliche individuelle Stärken und Schwächen ein, sowohl charakterlich als auch sportlich. Hier sehe ich den Grund für unsere Stärke in der Kür. Die Gruppe ist eher extrovertiert und selbstbewusst, für ein Juniorteam extrem reif und "selbstbestimmt". Im Niveau sind wir bewusst "weit unten", dadurch haben wir viel Spaß gemeinsam und es wird nicht langweilig. Also nicht wundern, wenn man einzelne Mannschaftsmitglieder (oder den Trainer;-)) mal laut rülpsen hört...;-) Natürlich können wir uns aber auch benehmen, wenn es drauf ankommt!
Dadurch, dass wir mit mir fast 50% "Männer"anteil in der Gruppe haben, geht es vielleicht etwas rauher zu als anderswo und manchmal ähnelt der Umgangston vielleicht eher einer Fußballmannschaft. Eigentlich sind wir
aber alle ganz süß;-)

 

 

Traust du dich Ziele für die EM zu definieren?

Ja, wir versuchen zu zeigen, was wir in den letzten Monaten erarbeitet
haben. Wenn jeder von sich sagen kann, alles gegeben zu haben und dabei
Spaß gehabt zu haben, haben wir unser Ziel erreicht. Wir wünschen uns
eine tolle EM mit vielen unvergesslichen Momenten! Das ist unser Ziel...

Vielen Dank Hendrik für das interessante Interview und ich wünsche dir und deinem Team alles alles Gute für die Europameisterschaft.

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Kommentare: 1
  • #1

    Mila (Donnerstag, 09 August 2012 11:41)

    Bewundernswert, wie viel Zeit und Arbeit dadrin steckt, aber das harte Training zahlt sich dann auch hoffentlich irgend wann aus.